42. Internationales Wiener Motorensymposium

Die Brennstoffzelle als ökonomisch sinnvoller Antrieb für schwere Nutzfahrzeuge: Betriebskostenvergleich von klassischen und CO2-neutralen Antriebssystemen

Autoren

Dr. A. Neumann, A. von Gregory, Strategy Engineers, München; P. Gillbrand, M. Rothbart, AVL List GmbH, Graz:

Jahr

2021

Druckinfo

Eigenproduktion ÖVK

Zusammenfassung

Wir erleben derzeit eine intensive Diskussion über Wasserstoff als möglichen Energieträger in der Automobilindustrie, insbesondere im Bereich der Nutzfahrzeuge. Ausgelöst durch die politischen Zielsetzungen, wie sie mit dem 2°C-Ziel im Pariser Klimaabkommen 2015 festgelegt wurden, und dem 2019 beschlossenen EU-Green-Deal mit dem Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, beschäftigt sich auch der Verkehrssektor mit der Frage, welche Technologien als Basis zur Erreichung der klimapolitischen Ziele eingesetzt werden sollen. Rund 888 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) wurden 2018 in der EU durch den Straßenverkehr emittiert, welches 26 % aller CO2-Emissionen in der EU im Jahr 2018 entspricht. Davon entfielen 26 % auf Lkw und Busse und weitere 13 % auf leichte Nutzfahrzeuge. Damit sind Nutzfahrzeuge für fast 40 % der CO2-Emissionen im EU-Straßenverkehr verantwortlich. Nutzfahrzeuge haben zwischen 1990 und 2020 den größten Anstieg der CO2-Emissionen innerhalb des Verkehrssektors zu verzeichnen. Für das Pkw-Segment wird bis 2030 eine verstärkte Elektrifizierung durch Hybridisierung sowie Vollelektrifizierung im Neuwagenverkauf stattfinden. Je nach Anwendungsfall wird die Elektrifizierung auch im Güterverkehr für die letzte Meile eingesetzt Für den Fernverkehr ist der Technologiepfad zur Klimaneutralität eher diffus. Vor allem im gewerblichen Verkehr werden derzeit eine Reihe von unterschiedlichen technischen Lösungen diskutiert und entwickelt, um die Klimaziele zu erreichen. Dazu gehören hybridisierte Diesel-Lkw, Elektrofahrzeuge, Oberleitungskonzepte für den gewerblichen Verkehr auf Autobahnen, Verbrennungsmotoren auf Basis synthetischer Kraftstoffe und Wasserstoff sowie elektrische Antriebe auf Basis von Brennstoffzellen. Dabei geht es nicht nur um deren technische Machbarkeit, sondern auch um den starken Druck eine hohe Wirtschaftlichkeit über die gesamte Lebensdauer sicherzustellen. Auch vor dem Hintergrund einer grüneren Zukunft bleibt die TCO (total cost of ownership) der Haupttreiber für den HD-Langstreckentransport. NPM, die nationale Plattform für Mobilität, an der praktisch der gesamte Verkehrssektor beteiligt ist, von den Automobilherstellern bis zu den NGOs, hat sich die Elektrifizierung eines Drittels aller Nutzfahrzeug-Fahrleistungen bis zum Jahr 2030 zum Ziel gesetzt. Dies ist allerdings nur mit einem Technologiemix zu erreichen. Henning Kagermann, der Vorsitzende von NPM, schlägt vor, dass bis 2025 drei Technologieoptionen für den schweren Fernverkehr verfolgt werden sollten: Batterie, Wasserstoff und Oberleitung. Im gewerblichen Verkehr sind die OPEX aufgrund der hohen Laufleistung (Ø ~140.000 km p.a.) der entscheidende Faktor für eine TCO-Berechnung. Die Betriebskosten auf Basis von Kraftstoffkosten, CO2-Emissionsgebühren sowie Mautgebühren machen rund 83 % der TCO aus - nur etwa 17 % sind CAPEX-bezogen. Wasserstoff als Energieträger erfährt durch nationale und regionale Wasserstoffstrategien und Fördermöglichkeiten zunehmende Aufmerksamkeit. Für den Antriebsstrang und die Anwendung im LKW sowohl im Verbrennungsmotor als auch auf Brennstoffzellenbasis ist er eine vielversprechende Lösung zur CO2-Reduzierung. Die Wasserstoffpreise werden von derzeit ~9 €/kgH2 auf etwa 5-6 €/kgH2 im Jahr 2030 und 3,5-4,5 €/kgH2 im Jahr 2040 sinken. Dies basiert auf steigenden Mengen an grünem Strom sowie Skaleneffekten bei der Wasserstoffproduktion. Die CO2-Emissionsabgabe spielt bei den Betriebskosten eine zunehmende Rolle. Dies ist zum Nachteil von konventionellen Dieselantrieben gegenüber H2-Antrieben, die seit dem 1. Januar 2021 mit 25 €/tCO2 (~7€ct / l Diesel) belastet werden. Bereits 2025 steigt die Gebühr auf 50€/tCO2 und ab 2026 wird der Preis durch den CO2-Handel frei am Markt bestimmt, wobei in absehbarer Zeit bereits Preise jenseits der 100€/tCO2 erreicht werden. Mautgebühren sind eine wichtige Kostenposition für Flottenbetreiber und machen ca. 25 % der OPEX im Schwerlast-Langstreckentransport aus. In Deutschland ist durch das Bundesfernstraßenmautgesetz eine gestaffelte Mautermäßigung für Elektro- und Erdgasfahrzeuge vorgesehen, um den Markthochlauf dieser Fahrzeuge zu unterstützen. Elektrisch betriebene Fahrzeuge, einschließlich FCEV, werden zunächst für einen unbegrenzten Zeitraum vollständig von der Lkw-Maut befreit. Im Rennen um die technologisch und wirtschaftlich besten Konzepte und Produkte steht eine ganze Reihe von Wettbewerbern in den Startlöchern. So haben Daimler Truck, das noch in diesem Jahr ein eigenständiges DAX-Unternehmen werden soll, und Volvo Group vor einem Jahr ein Joint Venture zur Entwicklung von FCEV-Lkw gegründet. Derzeit haben lediglich Toyota und Hyundai Brennstoffzellenfahrzeuge im Angebot; Hyundai auch als Lkw. Der Hyundai Xcient Brennstoffzellen-Lkw (34 t inkl. Anhänger, 190kw-Brennstoffzellensystem) wird bereits in einem großen Test von Wasserstoff-Lkw in der Schweiz erprobt. Im ersten Schritt erfolgt dabei eine Auslieferung von ca. 50 Fahrzeugen. Bis 2025 schließlich soll die Flotte auf 1.600 Lkw wachsen. Eine Vielzahl weiterer Anbieter mit teils futuristischen Außendesigns wie Volta Trucks, Einride und Tesla im E-Fahrzeugbereich, sowie Quantron (bayerisches Unternehmen, das 2019 für die Entwicklung von E- & FCEV-LKWs gegründet wurde und aus einem über 100- jährigen Familienunternehmen aus der LKW-Reparaturbranche stammt), Nikola Motors (der Nikola Tre wird ab 2021 im Iveco-Werk Ulm gebaut und soll ab 2023 auch als Brennstoffzellenfahrzeug ausgeführt werden) und Hyzon Motors (US-Unternehmen aus Rochester, NY mit Europa-Standort in den Niederlanden) im FCEV-Segment gehen ins Rennen um die besten und wettbewerbsfähigsten emissionsfreien Konzepte zu präsentieren. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass wasserstoffbetriebene schwere Fernverkehrs-Lkw auch aus rein wirtschaftlicher Sicht eine rationale Investitionsentscheidung für Flottenbetreiber darstellen. Es liegt nun an der Politik, schnell die notwendigen Voraussetzungen für eine entsprechende Wasserstoff-Infrastruktur zu schaffen.

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